Der 27. Juli diesen Jahres war ein historischer Tag für kolumbianische Kaffeeproduzenten. Der Referenzpreis für Pergamentkaffee auf dem Inlandsmarkt befand sich auf einem nie dagewesenen Höchstwert von 1.905.000 COP pro carga. Zur gleichen Zeit im Jahr 2019, also nur 2 Jahre zuvor, als wir unsere ersten carga Kaffee von der Familie Giraldo erworben haben, haben sich die Kaffeeproduzenten noch wahnsinnig darüber gefreut, dass der Referenzpreis auf dem Inlandsmarkt nach dem Krisenjahr 2018, in dem der Preis im September auf 653.000 COP gefallen war und damit die Herstellungskosten bei weitem unterschritt, wieder auf über 800.000 COP anstieg. Zu diesem Zeitpunkt wirkte es beinahe surreal auf die Farmer, dass wir ihnen 1.560.000 COP pro carga anboten. Warum hat sich seitdem alles so drastisch verändert?
Hoher Wechselkurs von USD in COP
Am 27. Juli hat der Wechselkurs von USD in COP mit 1:3.932 den Höchstwert der letzten 15 Monate erreicht. Ursächlich dafür ist das Zusammenspiel mehrerer Faktoren, wie der wirtschaftlichen Lage in den USA, die Folgen der Pandemie sowie die politische Instabilität der jetzigen Regierung Kolumbiens. Keiner dieser Faktoren steht in einem offensichtlichen Zusammenhang mit der Kaffeewirtschaft, warum also spielen sie trotzdem so eine große Rolle?
Der Preis für Kaffee auf dem Weltmarkt wird vom New York Stock Exchange in USD angegeben und wie wir letzten Monat erklärt haben, berechnet die kolumbianische National Coffee Federation den Referenzpreis auf dem Inlandsmarkt, also die Summe, die Produzenten für ihr Produkt erhalten, in Abhängigkeit vom Weltmarktpreis. Das bedeutet: der Wechselkurs von USD in COP hat einen direkten Einfluss auf den Kaffee-Referenzpreis auf dem kolumbianischen Inlandsmarkt.
Wetterbedingungen
Infolge der Pandemie lag der Wechselkurs von USD in COP im März 2020 bei 1:4.120 und somit sogar höher als aktuell. Trotzdem betrug der Referenzpreis auf dem kolumbianischen Inlandsmarkt zu diesem Zeitpunkt 1.145.000 COP – ein zu dieser Zeit hoher Preis, der dennoch nur ein Bruchteil des aktuellen Preises entspricht. Wie kommt das?
Kaffee ist ein Handelsgut und damit gibt es jede Menge Faktoren, die die Preisgestaltung des Kaffees beeinflussen können. Sowohl Käufer als auch Verkäufer analysieren genau diese Faktoren unaufhörlich, die sich einfach gesagt als Angebot und Nachfrage zusammenfassen lassen. Gibt es ein Angebotsüberschuss, sinken die Preise. Gibt es ein Nachfrageüberschuss, steigen die Preise. Zwar versuchen Käufer und Verkäufer der Handelsware, kommende Trends und Entwicklungen vorherzusehen, jedoch kann die jetzige Lage nicht zwingend durch vorherige Prognosen erörtert werden.
Auf der Südhalbkugel ist der Juli normalerweise der kälteste Monat des Jahres. Dieses Jahr war der Juli in den südlichen und südöstlichen Regionen Brasiliens besonders kalt und der Frost hat sich negativ auf einige der größten Anbaugebiete von Arabica-Bohnen des Landes ausgewirkt. Als größter Kaffeeproduzent der Welt stellt Brasilien 25 bis 30 % des weltweiten Kaffeebestands. Aus diesem Grund ziehen die niedrigen Temperaturen und die folglich schlechten Ernteprognosen Auswirkungen auf die ganze Welt nach sich: da Käufer befürchten, das Angebot auf dem Kaffeemarkt könnte nächstes Jahr deutlich eingeschränkter sein, kann derzeit eine höhere Nachfrage beobachtet werden – in der Hoffnung, die Lager noch rechtzeitig füllen zu können. Die hohen Lagerungskosten führen jedoch wiederum dazu, dass die Preise (weiter) steigen.
Wie sehen die Ernten der Zukunft aus?
Die derzeit prekäre Lage in den Kaffeeanbaugebieten wird in Zukunft wohl immer wieder in ähnlicher Form auftreten. Aufgrund des Klimawandels werden extreme Wetterbedingungen wie Dürre, Hitze, Starkregen und Kälte den Menschen in den kommenden Jahren immer mehr Grund zur Sorge bereiten. Heute mag sich der Klimawandel vielleicht noch als Problem in der Ferne abtun, aber auch steigende Kaffeepreise müssen als das gesehen werden, was sie sind: Vorboten für schwere Zeiten.
Schon jetzt sorgen Wetterveränderungen dafür, dass neue, risikoorientierte Marketingstrategien entwickelt werden. Aufgrund der Marktschwankungen der letzten Zeit sowie düsteren Aussichten, wird immer mehr systematische Forschung in Richtung wetterresistenter Kaffeepflanzen betrieben. Vielleicht ist es an der Zeit, darüber nachzudenken, was es für uns bedeuten würde, in der Zukunft gentechnisch veränderten Kaffee zu trinken.
Wie sieht die Wirtschaft der Zukunft aus?
Kürzlich schockierte uns ein Artikel über die Vorteile großer Unternehmen im Vergleich zu kleineren Unternehmen. Da der Kaffeepreis in den vergangen Wochen weltweit stark angestiegen ist, haben Unternehmensriesen die Chance gewittert, ihre Kunden aktiv anzusprechen, um ihnen zu versichern, dass ihre Kaffeeprodukte (zumindest erstmal) nicht teurer werden würden, komme was wolle.
Ebenfalls erst vor kurzem haben kleinere Unternehmen angekündigt, ihre Preise aufgrund der derzeitigen Lage erhöhen zu müssen – ein Umstand, den Großunternehmen scheinbar nur allzu gerne ausnutzen, um sich selbst besser auf dem Markt zu positionieren. Vielleicht fragst du dich, warum große Unternehmen in diesem Kontext überhaupt einen so enormen Vorteil gegenüber kleineren haben. Hier sind einige der wichtigsten Gründe: weil Unternehmensriesen
1. ihre Kaffeebohnen (dank ihrer Macht und ihres Budgets) von verschiedenen Bauern beziehen können,
2. die Bohnen anschließend einlagern können, und
3. ihre Produkte zu grundsätzlich höheren Preisen verkaufen,
ist es ihnen möglich, eine Art Schutzwall um ihr Business zu errichten – damit stehen sie in der fiktiven Nahrungskette viel weiter oben als Kleinunternehmen. Mehr denn je entfällt die wichtige Wahl über die Produktherkunft auf die Endkunden, die schließlich darüber entscheiden, welche Unternehmen sich durchsetzen können und welche nicht. An dieser Stelle mal wieder ein dickes Danke an euch, für eure Unterstützung und eure Entschlossenheit, etwas Gutes zu tun!